Der Bannhölzler

Der Ueberlieferung nach ist die ganze Oberallmend von einer reichen Schwyzerfrau den Walchwilern geschenkt worden. In früheren Zeiten waren Landstücke und oft ganze Ländereien nur sehr ungenau abgegrenzt. So wird es auch auf der Oberallmend gewesen sein. Sie war jedenfalls nicht ausgemarcht, so dass das Vieh von der Zuger Allmend auch auf Walchwiler Gebiet weidete und umgekehrt. Daraus entstanden im Laufe der Zeit immer heftigere Streitigkeiten. Es wird auch erzählt dass Marchsteine bestanden, die der Zuger Bannwart entfernt habe. Um diesen Auseinandersetzungen ein Ende zu bereiten, sollte ein Rechtsspruch entscheiden.
Die Richter begaben sich auf die Oberallmend. Auch dieser Bannwart Acklin, er wurde im Volksmund allgemein Bannhölzler genannt. Er schwor: "So wahr ich de Schöpfer und de Richter über mier ha, so wahr stah'n ich uf Zuger Bode". Auf Grund dieses Meineides entschieden die Richter zu Gunsten der Zuger, und für Walchwil ging ein grosser Teil der Allmend verloren. Der Landstreit aber hörte nicht auf, bis Walchwil im Jahre 1885 durch das Bundesgericht zu einer Einigung gezwungen wurde. Die Oberallmend ging an Walchwil zurück, dafür erhielten die Zuger das gesamte Bannholz und den Wald im Heumoos zur Nutzniessung zugesprochen.
Der Bannhölzler musste nach dem Tode als Strafe für seinen Meineid auf der Allmend umherirren. Als Gespenst, auf einem Schimmel reitend und von einem Hund begleitet, sprengte er Nachts über die Allmend dahin. Er setzte das weidende Vieh in Furcht und Schrecken, dass es verwildert auseinanderstob, und riss ihm oft die Schwänze aus. Vielmals stürzte er Menschen und Vieh über Felsen und Abgründe.
Ueber den Hag der Allmend hatte er keine Gewalt. Daher wurde er oftmals von Leuten die ausserhalb des Zaunes in Sicherheit waren, geneckt und verhöhnt.
Ein mutwilliges Mädchen wollte einst noch frecher sein als die anderen und stellte sich etwas neben dem Hag auf die Allmend. In der Meinung, wenn der Bannhölzler komme, sei es schnell in Sicherheit, rief es mit lauter Stimme: "Bannhölzler, Bannhölzler, chumm nur, wenn'd mi überchuusch, chasch mi haa". Wie ein Blitz fuhr der Bannhölzler zu dem Mädchen heran, und noch ehe es sich durch den sicheren Hag retten konnte, fasste er es am Zopf und riss der Armen die Haare samt der Haut aus dem Kopf.
Junge Burschen ergötzten sich an einem Chilbitag beim Buschenchappeli mit Kegelspielen. Einer von ihnen, der nichts traf, rief im Unmut den Bannhölzler, dass er ihm doch helfen möge. Im selben Augenblick war der Bannhölzler auf der Stelle: Die aus seiner Hand geschwungene Kugel warf das Ries nieder und flog weiter über den Stollen und über das Hürital bis zum Keiserstock, wo sie in einen Felsen einfuhr und stecken blieb.
Auf solche und ähnliche Weise verfolgte der Bannhölzler jahrzehntelang Mensch und Tier auf der Oberallmend, bis er vom Entlebucher Pater Krummenacher in den Rossberg verbannt wurde. Unter einer hohen Felswand, seither Bannhölzlerfluh genannt, ruht er nun in einer Felsspalte, auf einer Seite den Schimmel, auf der anderen den Hund.


Das Bannhölzlergedicht

Auf des Rossbergs Alpentriften jetzt die muntere Herde haust,
und der Bergstrom in den Klüften schäumend über Felsen braust.

Wo auf steilem Granithügel noch der kecke Aelpler ringt,
sich mit starkem freiem Flügel, auch der Aar im Kreise schwingt.

Und der Tannen dunkle Wipfel zeugen noch aus alter Zeit,
rauschen von des Berges Gipfel, Sagen der Vergangenheit.

Es erzählt die alte Kunde von Bannhölzlers Zauberschloss;
wie er da im Geisterbunde, herrschet mit dem weissen Ross.

Nachts, wohl um die zwölfte Stunde, tönt es da im Geisterchor;
und im schaurig tiefen Grunde, öffnet sich das Felsentor.

Hat es zwölfe dann geschlagen, sprengt er über Wald und Flur,
treibt sein Ross in wildem Jagen, durch die stille Bergnatur.

Heissa! Hört ihr wie es brauset? Seht ihr dort das Flammenmeer?
Wie des Rosses Mähne sauset durch das geheime Geisterheer!

Ha! Wie seine Augen sprühen, wie die Peitsche wild erknallt,
rot des Rosses Hufe glühen, wie es durch die Lüfte hallt!

Ueber kahle Bergeskämme reitet er nach Lothenbach,
führt sein treues Ross zur Schwemme, und es folgt ihm willig nach.

Stürzt mit ihm sich in die Fluten, schwimmt hindurch nach Immensee;
darob gischt in Feuersgluten geisterhaft der Zugersee.

Hei! Wie's saust und braust und knallet, wie es woget in der Flut,
wie das Wasser schäumt und wallet mit der grössten Sturmeswut.

Und er führt das Ross zurücke nach der dunklen Geisterkluft;
schliesst des Schlosses Zauberbrücke weil die Morgensonne ruft.

Wo des Rossbergs Gipfel ragen, weiss der Aelpler noch das Schloss;
und erzählt hier aus den Sagen, vom Bannhölzler und dem Ross.