Die Helvetier

Der erste schriftliche Bericht über ein Volk auf Schweizer Boden stammt aus der Feder römischer Schriftstellen, die vom Tatendrang Roms erzählen. Durch die unbändige Eroberungslust der römischen Imperatoren wurden die ersten geschichtlichen Wanderungen des keltischen Volksstammes der Helvetier veranlasst, die ihren Stammsitz im schweizerischen Mittelland hatten.
Der helvetische Stamm der Tiguriner, schloss sich dem Kimbernzug nach Südfrankreich an. Von Norddeutschland kommend, folgte ihnen das Volk der Teutonen auf der Wanderung. Die Tiguriner wollten in südlichen Gallien eine neue Heimat suchen. Der römische Feldherr Longinus wollte sie von der Eroberung der Stadt Tolosa abhalten, wurde aber beim heutigen Agen im Jahre 107 v.Chr. vernichtend geschlagen. Diviko, der siegreiche Anführer der Tiguriner liess nach der Schlacht zwei Speere in den Boden stecken und einen darüber binden. Unter diesem Joch mussten die Römer gebückt durchziehen. Die Teutonen und Kimbern wurden von den verschmähten Römern in den Schlachten von Aquae sextiae und Vercellae besiegt. Unter diesen Umständen zogen die Tiguriner wieder in ihr angestammtes Land zurück. Die Schweiz war damals die Heimat verschiedenster Stämme. Im Jura wohnten die Sequaner, bei Basel die Rauraker, im Tessin die Lepontier, die Rätier in Graubünden, in der Ostschweiz und vereinzelt in der Innerschweiz. Die Helvetier bewohnten das Mittelland zwischen Alpen, Rhein und Jura. Die oberste Staatsgewalt wurde von der Volksversammlung ausgeübt. Die Adeligen hatten allerdings das letzte Wort zu sprechen. Sie waren die Grundbesitzer und Herren über Pächter, Knechte und Leibeigene. Die angesehenen Priester, die Druiden, brachten den Göttern in Eichenwäldern Pflanzen, Tiere und Menschen zum Opfer dar. Daneben waren sie gelehrte Aerzte und Zauberer. Die Helvetier waren nicht rohe Waldmenschen, sondern tatendurstig und geweckt. Sie lebten von der Viehzucht, Pflege des Ackers, Töpferei und Bearbeitung des Metalls.
Zu Beginn des 1. Jahrhunderts v.Chr. gerieten sie nach und nach von allen Seiten in Bedrängnis. Im Norden stauten sich ennet dem Rhein germanische Wanderstämme, im Süden waren es die Römer. Ariovist, der Fürst der Sueben brach vom Elsass her in das Sequanerland. Der reiche Orgetorix teilte mit seinen Volksgenossen die Sehnsucht nach dem schönen Land in Südgallien das seine Väter noch gesehen hatten. Die Volksversammlung beschloss, die jüngeren Männer und Frauen sollten nach dem Süden ziehen. Während Wagen gebaut und Vorräte gesammelt wurden, zog Orgetorix voraus um den Weg vorzubereiten. Da erfuhren die Helvetier empört, Orgetorix wolle königliche Macht über sie gewinnen. Die Helvetier verurteilten den stolzen Mann zum Feuertod, denn solcher Ehrgeiz war bei ihnen ein Verbrechen. Orgetorix entzog sich seiner Verantwortung und stürzte sich ins eigene Schwert. Die Helvetier zögerten nicht. Diviko lebte noch. Er war bereit, den Ort seines Sieges noch einmal aufzusuchen. Damit keiner Heimweh bekäme, zündeten sie ihre Wohnstätten an. Mit Nachzüglern aus anderen Stämmen zählte der Zug bald über 250'000 Leute. Im Jahre 58 v.Chr. stiessen sie an den Genfersee. Hier hatte Julius Cäsar die Brücke über die Rhone abbrechen lassen. Das Volk mussten nun den unwegsamen Umweg über den Jura gehen. Julius Cäsar forderte in Rom neue Kriegslegionen an und folgte den Helvetiern immer weiter ins heutige Frankreich hinein. Als sie über die Saône setzten, vernichtete er den Teil ihres Heeres der noch diesseits des Flusses war. Dann verfolgte er die übrigen. Diviko schickte ihm Gesandte, denn er verlor den Mut und wollte unterhandeln. Die Verhandlungen scheiterten und die Helvetier rüsteten bei Bibrakte zum Kampf. Obwohl sie stark im Nachteil waren, dauerte die Schlacht den ganzen Tag. Vom Priesterwagen kämpften die Druiden mit Diviko. Erst als die Römer Feuer in die Wagen warfen, entschied sich der Streit. Noch in der gleichen Nacht brachen die restlichen 130'000 Geschlagenen auf und zogen nordwärts. Die blutige Niederlage hatte alle ihre Träume vernichtet. Auf Cäsars Befehl zogen die Helvetier wieder in ihr Land zurück und machten sich an den Aufbau ihrer Städte und Dörfer. So bildeten sie im bewohnten Helvetien eine gewünschte Abwehr gegen die Germanen. Die Allobroger wies er an, die Besiegten mit Getreide zu versorgen. Im übrigen wurden die Helvetier durch die Römerherrschaft nicht arg bedrückt. Man gewährte ihnen sogar ein kleines Heer. Im Jahre 15 v.Chr. wurden das Wallis, der Tessin und Rätien römisch. Die Schweiz wurde auf die benachbarten grossen Provinzen aufgeteilt. Der westliche Teil gelangte zu Obergermanien, der Osten zu Rätien, der Tessin zu Italien und das Wallis gab mit Savoyen zusammen eine neue Provinz. Die Römer bauten Helvetien zu einer Festung gegen die Germanen aus. Das linke Rheinufer wurde mit Wachtürmen und Burgen befestigt. Vindonissa wurde zum Hauptwaffenplatz. Sie bauten sich prächtige gepflästerte Strassen. Eine führte von Augusta Prätoria über den Grossen St. Bernhard nach Octodurum, Aventicum, Salodurum und Augusta Raurika. Nach der verlorenen Schlacht am Bötzberg im Jahre 69 n.Chr. folgte für die Helvetier eine Zeit des Friedens bis nach 250 n.Chr. Da die Römer das Gebiet zwischen Rhein und Donau erobert hatten, mussten sie nicht mehr beständig die Unruhen eines Grenzlandes aushalten. Ueber die Kaufleute liessen sich Offiziere und Beamten der Römer die Annehmlichkeiten Roms zuführen: Oel, Wein, Gewebe, Gefässe und Schmuckgegenstände. Ausgediente Soldaten bauten sich Villen mit Baderäumen, Heizung, Mosaikböden, Statuen und Malereien. Mit dem Obst und Gemüse des Südens brachten die Legionäre auch das Latein mit, die knappe metallische Sprache Roms. Blühende Städte entstanden, mit Ringmauern, Türmen, Tempeln und Theatern. Ein kleines Abbild Roms. Die römische Kultur machte die Helvetier etwas feiner und gebildeter.

Nach 150 Jahren war die alte Bedrohung wieder da. Alemannische Scharen brachen ins Land und zerschlugen in wilder Zerstörungswut was ihnen unter die Hände kam. Die Römer trieben die Eindringlinge nochmals über den Rhein zurück und bauten ihre Festungen wieder auf. Roms alte Kraft aber war geschwunden und vermochte dem erneuten Eindringen immer weniger Stand zu halten. Neben der Sprache Roms blieb vorerst auch das Christentum im Lande. Unter den rohen Horden der Alemannen wurde aber beides wieder zurückgedrängt. Nach 400 drangen die Alemannen in friedlicher Absicht sippenweise weiter in die dünn besiedelten Alpentäler und vermischten sich oftmals mit der ansässigen Bevölkerung. Sie gliederten sich in Gaue, die aus einigen Hundertschaften bestanden und von einem Gaukönig geführt wurden. Die wichtigsten Veränderungen in der Natur im Laufe des Jahres wurden von ihnen als grosse Feste gefeiert. Trotz ihres rauhen Benehmens waren sie sehr klug. Sie lernten sehr schnell aus der römischen Kultur etwas neues entstehen zu lassen. Hier lebten sie nach ihrer angestammten Sitte, bebauten die Felder, betrieben Viehzucht und fanden Freude am Obst- und Weinbau.