Die
Allmend

Die wellenförmige Hochebene des Zugerberges umfasst ein weites Gelände, das in die Walchwiler Oberallmend und den Geissboden unterteilt ist. In früher Zeit zählte dieses Gebiet zum offenen Gelände, dessen wirtschaftliche Nutzung den Genossen zustand, die ihrerseits seit Generationen dieses Recht für sich beanspruchten. Diese gemeinsame Allmend war nach alter germanischer Sitte das Land ausserhalb des Dorfes oder Hofes, und wurde nach den überlieferten Satzungen bewirtschaftet. Es liegt daher auf der Hand, dass die ganze Walchwiler Allmend denn auch alleiniges Eigentum der Walchwiler war.

Mit dem Kauf der Grundrechte von Walchwil durch die Stadtgemeinde Zug in Jahre 1379 änderte sich dieser Zustand nicht. Der schlecht verständliche Kaufakt erwähnt leider nichts von der Allmend. Geschickt verstanden es Amman, Rat und Bürgerschaft der Stadt Zug, ihr Gebiet nicht nur in Walchwil, sondern in all seinen anderen Vogteien auszudehnen. Die Leute in Walchwil waren von jeher in der ungünstigeren Lage. Abhängig waren sie so oder so. Stadtzuger waren reicher, durchwegs gebildeter, und in der Kunst der Diplomatie weit erfahrener als, die einfachen Landbewohner.

Von der Allmend wird erstmals in der Urkunde vom 31. Mai 1534 gesprochen: "Wie denn wir und Sie miteinander ein Allmend haben". Das Stadtratsprotokoll vom 28. August 1534 vermerkt, denen von Walchwil sei bewilligt worden, auf ihrer Allmend das Vieh zu zeichnen, wofür der Besitzer der Tiere ihnen zwei Plappart von einer Kuh und ein Plappart für ein Rind geben soll. Am 20. Februar 1547 fand zwischen Walchwil und Zug eine Erneuerung der Marchen statt, und zwar, wie ausdrücklich vermerkt wird, wegen "Stüür und Brüüch". Die March wurde in Anwesenheit von Vertretern beider Seiten untergangen vom See bis an das Horbächli, so dass "... was unterhalb gegen Zug hin gelegen, in die Steuer von Zug, was oberhalb gegen Walchwil in jene von Walchwil gehört". In diesem Vorgang lag auch kein Präjudiz, denn Gemeindeeigentum und Steuerpflicht sind zwei verschiedene Dinge, die sich nicht immer decken müssen. Da es sich lediglich um die Festsetzung der Steuerpflicht handelte, wurde nicht entschieden, welche Allmendteile den Zugern und welche den Walchwilern gehörten.

Der Streit um die Walchwiler Allmend ist also alt wie die ersten Urkunden über sie. Einer recht glaubwürdigen Ueberlieferung nach behielten die Walchwiler Geschlechter wie die Müller, Kolin oder Suter, die schon seit dem 14. Jahrhundert nach Zug siedelten, an ihrem zustehenden Atzungsrecht auf der Oberallmend fest. Mit ihnen begannen auch die anderen Zuger Bauern ihr Vieh auf die Allmend aufzutreiben, worauf sie sich im Verlaufe der Zeit ein Nutzungsrecht aneigneten, gegen das die gevogteten Walchwiler nicht ernsthaft Widerstand leisten konnten. Der Geissboden und die Walchwiler Allmend wurden früher nachweislich nicht stark mit Vieh bestossen, weshalb auch keine genaue Marchung bestand.
Die starke Nutzung begann erst 1803, als die Zuger ihre Bodenallmenden für Pflanzland zu nutzen begannen. Einzelne Bauern, so die Utinger auf der Lorzen, trieben überhaupt kein Vieh auf, "... da die von Zug dazu gar kein Recht hätten."
Bis zur definitiven Zuteilung der Wald- und Landkomplexe verging noch viel Zeit. Die erste Wälderzuteilung vollzog sich 1762 und 1787, während die eigentliche Landteilung noch lange mit einem erbitterten Kampf geführt wurde, der erst am 24. April 1863 auf dem Wege einer erzwungenen Verständigung erledigt wurde.
Der Prozess wurde begleitet durch Leidenschaft auf beiden Seiten. Betreffend Ausstand der Richter in Rechtsschwierigkeiten besass der Kanton Zug noch kein Gesetz. Die Richter beider Kollegien, welche als Bürger der Stadtgemeinde zugleich Nutzniesser und Teilhaber am streitigen Korporationsgut waren, wollten nicht in den Ausstand treten. Der wichtige Entscheid des Kantonsgerichtes vom 26. November 1851 fiel natürlich zu Gunsten der Stadt aus, wonach Zug die Hälfte Miteigentum an der Oberallmend zuerkannt wurde. Mit einer eigenen, anonym erschienenen Druckschrift trat der Anwalt der Walchwiler, Fürsprech Breni von Rapperswil, vor das Publikum. Er versuchte Stimmung für Walchwil zu machen, das sich dann an den Grossen Rat wandte und energisch Erlass eines Gesetzes verlangte, wodurch es einem Richter untersagt werde, in einem vorstehenden Rechtsstreit zu urteilen. Trotz des verständlichen Protestes der Stadtzuger beschloss dann der Grosse Rat am 10. Mai 1852 die Ueberweisung der Bittschrift der Walchwiler an den Verwaltungsrat der Zuger Korporation zur Beantwortung und die Weisung an das Obergericht, einstweilen den Prozess nicht zu behandeln. Oberrichter Plazid Anton Hürlimann, der die Interessen der Walchwiler vertrat, fand in Landamman F.J. Hegglin einen Freund, der das Anliegen im Kantonsrat gegen die Interventionen der Zuger durchbrachte. Das Obergericht ersah aus den Verhandlungen des Kantonsrates dann richtig eine Art stillschweigend erteilte Weisung. Am Entscheid, den es nach erfolglos versuchter gütlicher Verständigung am 19. Dezember 1853 traf, wirkten keine der Stadtgemeinde angehörende Richter mit. Durch diesen Entscheid wurde mit vier gegen drei Stimmen der kantonsgerichtliche Beschluss umgestossen. Gleichzeitig wurde aber auch erkannt, es habe bei der bisherigen Benutzungsweise der Bergallmenden zu verbleiben. Damit war zwar keiner Partei geholfen, aber doch so viel erreicht, dass der Gedanke an eine friedliche Lösung an Boden gewann. Auf der Seite der Walchwiler waren Oberrichter Placid Anton Hürlimann ab Gossenlingen und Präsident Josef Anton Hürlimann auf Obergaden an der Beilegung beteiligt, deren Unterschriften der Vertrag von 1863 auch trägt.

Die Stadtgemeinde Zug konnte ihre ungerechtfertigten Ansprüche, welche sie an der Oberallmend erhob und gerichtlich geltend machen konnte, für die hohe Summe von 50'000 Franken an Walchwil abtreten. Unter dem Druck der Helvetik wurde den Walchwilern im Vertrag vom Februar 1798 zugesichert, dass "... jetzt und zu allen Zeiten Religion, allgemeines und partikular Eigenthum geschützt und bleiben soll." Und weiter "... unser geäusserten Gesinnung müssen wir noch beifügen, und sämtliches Volk erinnern und ermahnen, alles das, was Zwytracht und Unordnung verursachen und Friede und Ruhe und Eintracht stören möchte und könnte sorgfältig auszuweichen und zu vermeiden ...". Alle diese vertraglichen Abmachungen waren nun nichts mehr wert. Für Walchwil war mit diesem Vertrag ein grosser Teil der Oberallmend widerrechtlich verlorengegangen.

Anhand der ältesten erhaltenen Urkunde von 1547 lässt sich einwandfrei darlegen, auf welche Art und Weise sich die Obrigkeit von Zug bemühte, sich der Walchwiler Allmend zu bemächtigen. In der Kopie für die Walchwiler wurde die Bezeichnung Sómerig in Ströüwÿ, also vom Recht auf alleinige Sömmerung des Viehs in ein Nutzungsrecht für Streue umgeschrieben. Da die Walchwiler während des Allmendprozesses mit ihrer gefälschten Abschrift argumentieren mussten, wurde der Allmendvertrag schlussendlich in der genannten Form abgefasst, obwohl Zug während der jahrhundertelangen Streitigkeiten den Beweis für sein Miteigentum an der Allmend nicht ein einziges Mal vorlegen konnte. Leider war damals die Möglichkeit, ein höheres Appellationsgericht anzurufen nicht gegeben, weil das Eidgenössische Bundesgericht seine Tätigkeit erst mit dem 1. Januar 1875 aufnahm. Nach heutiger Rechtsauffassung wäre ein Prozessverlauf der vorliegenden Art absolut undenkbar.

Vertreter der Stadtgemeinde verbreiten heute mit Vorliebe bei jeder Gelegenheit den pfleglichen Umgang mit seinen Untertanen. Zwar gab es die "Vierer", aber dieses von der Gemeinde gewählte Gremium, hatte kaum mehr Kompetenzen als ein heutiger Quartierverein, mit dem Unterschied, dass die Obrigkeit missliebige Personen nicht duldete.
Wenn auch heute über die unrechtmässig gezogenen Grenzen auf der Walchwiler Allmend nicht mehr gestritten wird, soll doch nicht vergessen werden, unter welchen Umständen die Allmend verloren ging.


Der Torfabbau

Eines der bedeutendsten Hochmoore in der Schweiz ist das Eigenried. Vorbedingung für ein Moor sind zur Hauptsache ein undurchlässiger Boden und ein eher kaltes, niederschlagsreiches Klima. Mangel an mineralischen Bestandteilen, besonders Kalk, befinden über die Pflanzenwelt im Hochmoor. Als früheste Pioniere stellen sich Riedgräser, Binsen, Seggen und das Torfmoos ein. Wegen der ausserordentlich starken Kapillarität der Moose sind die Moosteppiche imstande, bedeutende Wassermengen zu speichern und über längere Zeit wieder ans Umgelände abzugeben. Eine Folge davon ist die häufige Nebelbildung über dem Moor. Torfmoose wachsen nur an der Sprosspitze weiter, während der untere Teil fortwährend abstirbt und mit seinen organischen Substanzen den Hauptteil zur Bildung des Torfes liefert.

Torf wurde schon seit alters zu Streuezwecken oder als Heizmittel verwendet. Nachdem vom Rat von Zug am 9. November 1771 "... in landesvaterlich reifer Ueberlegung" vier auf "... gemeinsahmlicher Allmend gelegene Forrenmöser" für sich beanspruchte, wurde jedem Walchwiler eine Parzelle, ein Forepetti zugewiesen, auf dem er Torf, Turbbe, zum Eigenbedarf ausbeuten durfte. Verkäufe ausserhalb der Gemeinde wurden recht hoch bestraft. Die Möglichkeit, Moorland umzubrechen, wurde rege benützt. Es entstand eines der grössten Kartoffelmoore der Innerschweiz. Doch zuerst musste das ganze Gebiet der Underforen entwässert werden. Einerseits um die Bewirtschaftung überhaupt zu ermöglichen, andererseits, und dies war der notwendigere Grund, musste den ständigen Erdschlipfen endlich Einhalt geboten werden, die durch den Bergdruck immer wieder grosse Schäden am Berghang verursachten. Verschiedene Vorstösse an den Kantonsrat führten dazu, durch Konrad Escher von der Lindt ein Gutachten erstellen zu lassen. Statt auf die geforderten Massnahmen einzugehen, wurde schlussendlich nur der Hauptgraben erstellt und der Lothenbach bis Lienisberg ausgehoben.
Während des Ersten Weltkrieges begann man damit, den Torf im Eigenried industriell abzubauen. Kohlenmangel und damit verbundene hohe Preise waren dafür verantwortlich. Von der Bahnstation Walchwil über die Brächen zum Eigenried wurde eine Transportseilbahn gebaut. Wirtschaftliche Gründe trieben die Bahn bereit 1919 in den Konkurs. 1922 wurde der Betrieb mit der Turppebahn wieder eingestellt. Mehrere Fundamente der Tragmasten sind heute noch stumme Zeugen dieser Zeit.

Der Kohlenmangel machte die Torfgewinnung zur volkswirtschaftlichen Bedeutung während des Zweiten Weltkrieges. Es begann eine weitere Abbauphase. Torf wurde in der Hauptsache zu Feuerungszwecken, aber auch Pack- und Isoliermaterial, Entkeimungsmittel und zur Bodenver-besserung eingesetzt.

Die Abbaukonzessionen auf der Allmend waren wie folgt aufgeteilt:

Lienisforen: Firma Müller & Notter
Eigenried: Firma Lütof
Ewegstaffel: Firma Steinmann & Gyger
Karlisforen: Firma Kuhn

Auf der oberen Allmend beschäftigten sie zeitweise bis zu 300 Arbeiter und internierte Polen. In Baracken stellten sie zum Preis von Fr. 6.-- Verpflegung und Unterkunft auf dem Strohlager zur Verfügung. Die Unterkünfte nannte man Negerdörfli, wohl nach dem Aussehen der Arbeiter nach einem langen Arbeitstag so genannt. Bei einem Stundenlohn von Fr. 1.50 bis Fr. 1.70 betrug die Arbeitszeit elf Stunden: 06.00 - 08.30, 09.00 - 12.00, 13.00 - 15.30, 16.00 - 19.00 Uhr. In der Grube wurde von Hand der Torf ausgestochen und auf ein Förderband geworfen. Ein Wolf erfasste die schwarze Masse und vermuste sie zu einem dicken Brei. Aus der folgenden Schneckenpresse wurde die wurstförmige Sode auf ein unterstelltes Brett von einem Meter Länge ausgestossen und dreigeteilt. Auf langen Förderbändern wurden diese dann auf das Auslegefeld befördert, wo man sie zum Trocknen kreuzweise auslegte. Nach drei bis vier Wochen war das Material trocken und versandbereit für Grossabnehmer und Verbraucher. Torf wurde vereinzelt bis vor wenigen Jahren noch abgebaut. Auf Druck des Naturschutzbundes wurde ein gänzliches Abbauverbot eingeführt. Das Eigenried mit seiner reichen Vielfalt an Fauna und Flora steht heute unter Naturschutz.